Interview mit Maria Fernanda
Wir haben mit einer jungen Frau und Mutter gesprochen, die seit vielen Jahren in der Stiftung lebt und bereit war, ihre Geschichte mit uns zu teilen.
Frage: Was kannst du uns über dich erzählen?
Antwort: Mein Name ist Maria Fernanda. Ich bin 21 Jahre alt und lebe seit 2014 hier. Also, Maria Paola (die Leiterin der Stiftung) kennt mich schon, seit ich im Bauch meiner Mutter war. Ich kam in die Stiftung, weil meine Mutter getötet wurde. Sie wurde in Ciudad Bolívar ermordet. Und ab da war ich allein, weil meine Mutter immer diejenige war, die sich um mich gekümmert hat. Ich kam also hierher und fing an zu lernen. Dann hatte ich einen Freund, bin mit ihm weggegangen, bekam meine Tochter… aber dann bin ich zurückgekommen, weil… na ja, er hat mich geschlagen, und so konnte ich nicht weiterleben. Also kam ich zurück, habe meinen Schulabschluss gemacht, und Maria Paola hat mir bei den Sachen für die Uni geholfen. Aber ich habe ein paar Fächer nicht bestanden, also spare ich jetzt, um das nächste Semester zu bezahlen und weiterstudieren zu können.
Zurzeit helfe ich in der Küche mit. Ich bin allen hier und Maria Paola sehr dankbar. Seit dem Moment, als ich sie kennengelernt habe, ist sie immer für mich da gewesen, wenn es mir schlecht ging. Jedes Mal, wenn ich sie anrufe, ist sie da. Und die anderen auch, weil sie wie ein Team sind, wisst ihr? Ich fühle mich hier wohl. Ich fühle mich wie Teil einer Familie. Es ist nicht so, dass man sich nicht freuen oder nicht man selbst sein darf — ich kann ich selbst sein. Und auch wenn ich Fehler gemacht habe, versuche ich jeden Tag, besser zu werden — für mich, für meine Tochter und um ihr ein gutes Vorbild zu sein.
Frage: Und hast du deinen Schulabschluss gemacht, während du hier in der Stiftung warst?
Antwort: Ja, ich habe mein Abitur gemacht. Ich war schon 18, und da war es zu spät, um auf eine normale Schule zu gehen. Also habe ich meinen Abschluss über eine Validierung (spezielle Prüfungen) gemacht.
Frage: Und was studierst du jetzt?
Antwort: Ich studiere Kriminalistik.
Frage: Kriminalistik, also wie für die Staatsanwaltschaft arbeiten?
Antwort: Ich möchte Sachverständige werden und Kriminaltechnik machen. Ich mochte diesen Beruf schon als Kind. Er hat mich immer interessiert. Und nach dem, was mit meiner Mutter passiert ist, hat es mich noch mehr gepackt. Ihr Fall wurde einfach so liegen gelassen — niemand hat etwas untersucht, nichts wurde aufgeklärt. Deshalb gefällt mir dieser Beruf. Einerseits, weil ich ihn wirklich mag, und andererseits, um Menschen zu helfen, denen das Gleiche passiert ist. Weil bei solchen Tötungen irgendwie nichts unternommen wird.
Frage: Und wie alt ist deine Tochter?
Antwort: Sie ist zweieinhalb Jahre alt. Zurzeit geht sie in die Kita.
Frage: Was möchtest du tun, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen?
Antwort: Zuerst möchte ich wieder an die Uni gehen, dort bleiben, engagierter und verantwortungsbewusster sein. Vielleicht wusste ich früher nicht, wie man mit all der Verantwortung umgeht — ich wusste nicht, wie ich das alles richtig machen soll. Aber wenn Gott mir die Chance gibt, wieder zur Uni zu gehen, werde ich das mit ganzem Herzen und voller Verantwortung tun. Ich möchte ein gutes Vorbild für meine Tochter sein und für sie arbeiten.
Frage: Wie alt warst du, als du schwanger wurdest?
Antwort: Ich war 18… Ich habe von zu Hause aus gelernt. Ich war schon schwanger, als ich meinen Schulabschluss gemacht habe.
Frage: Und möchtest du irgendwann ausziehen und die Stiftung verlassen?
Antwort: Ja, auf jeden Fall… das ist mein größter Traum — hier mein Studium abschließen zu können, um dann für meine eigene Wohnung zu sparen. Mit meiner Tochter zusammen zu sein, ihr ein besseres Vorbild zu geben. Das ist das, was ich mir am meisten wünsche. Denn hier ist es gut, aber es gibt andere Menschen, die die Chance noch mehr brauchen. Ich bin gerne hier, aber ich sehne mich danach, draußen zu sein, unabhängig zu sein, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch.